Insolvenz bedeutet nicht das Ende

 

Dr. Norman Häring ist Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter – und leidenschaftlicher Taucher. Im Gespräch erläutert er seine Faszination für das Insolvenzrecht, woran eine Krise frühzeitig zu erkennen ist, wie sich dagegen vorgehen lässt und was er aus dem Tauchen für die Sanierung von Unternehmen gelernt hat.

 

Seit wann tauchst du, Norman?

Seit etwa 20 Jahren. Aufgrund meiner Wasseraffinität und meiner Tätigkeit als DLRG-Rettungsschwimmer habe ich mich früher vor allem über Wasser aufgehalten und wollte dann irgendwann auch einmal das Unterwasser erleben. Also habe ich eine Tauchausbildung bei der DLRG gemacht. Heute ist das Tauchen neben der Insolvenzverwaltung eine meiner großen Leidenschaften.

 

Du bist Experte für Insolvenzrecht, Restrukturierung und Sanierung. Wie bist du dazu gekommen und was ist das Spannende daran?

Ich bin nach dem ersten Examen ohne jegliche Erfahrung in eine Großkanzlei eingestiegen und habe das Insolvenzrecht dort im täglichen Tun schätzen gelernt. Man hat viel mit Menschen zu tun und muss jeden Tag auf unvorhergesehene Sachen reagieren.

 

Du bist seit 2020 bei Tiefenbacher. Wer ist Tiefenbacher und was machen die eigentlich?

Tiefenbacher ist eine klassische Rechtsanwaltskanzlei für den Mittelstand mit den Schwerpunkten Insolvenzverwaltung, Restrukturierung, Sanierung und Gesellschaftsrecht. Was uns abhebt von anderen sind unsere großen internationalen Abteilungen: Wir sind in einem internationalen Netzwerk tätig und haben da immer entsprechende Spezialisten.

 

Momentan reden alle von Rezession – das heißt auch, dass du momentan viel zu tun hast, oder?

Momentan bildet sich die schlechte Stimmung noch nicht in den Insolvenzzahlen ab. Die sind weiterhin historisch niedrig – gleichwohl zeigt sich diese Grundanspannung und dass da etwas kommen wird. Und das ist ja das Interessante in der Restrukturierung: Man muss so früh wie möglich dran sein, um präventiv vorzugehen.

 

Wann ist aus deiner Sicht frühzeitig?

Frühzeitig ist so früh wie möglich. Das Problem ist, dass eine Krise sich in verschiedenen Stadien entwickelt – und die sind immer gleich: Es beginnt mit einer Stakeholder-Krise, die sich noch nicht in den Zahlen zeigt. Dann kommt die Strategiekrise: Erfolgspotenziale eines Unternehmens sind ernsthaft gefährdet, die strategische Ausrichtung des Unternehmens ist nicht mehr am Markt orientiert. Gleichwohl erzielt das Unternehmen in dieser Phase noch Gewinne. Dann geht es direkt über in die Absatzkrise, der die Ergebniskrise folgt. In dieser Phase fehlen meist schon die Mittel für eine nachhaltige Sanierung durch einen Restrukturierungsexperten. Also geht die Ergebniskrise über in die Liquiditätskrise: Die konkrete Zahlungsunfähigkeit droht. Das ist der letzte Zeitpunkt, um das Ruder noch mithilfe eines Restrukturierungsexperten rumzureißen.

 

Gibt es eine Kennziffer, die man aus deiner Sicht immer im Auge behalten sollte, um diesen schleichenden Prozess frühzeitig zu erkennen?

Kennziffern als solche spiegeln das nicht ganz wider, aber es gibt so zwei, drei Faktoren, die man im Blick behalten sollte: die Gesamtkapitalrentabilität, die Eigenkapitalquote oder die Zinsdeckungsquote. Wenn man die wechselseitig ins Verhältnis setzt, kann man absehen, in welche Richtung das Ganze geht.

 

Wenn es dann zur Insolvenz kommt: Was ist dann zu tun? Welche Sauerstoffflasche sollte – um in der Taucherwelt zu bleiben – eingesetzt werden?

Das ist ein interessanter Vergleich zur Pressluftflasche im Tauchen, die ja da unten tatsächlich das Einzige ist, was dich rettet. Neben der Sache, dass man früh genug dran sein muss, sollte man sich auch mit der Insolvenz beschäftigen und diese als Chance sehen. Anders als beim Tauchen haben wir Insolvenzrechtsexperten einen sehr großen Koffer mit verschiedenen Tools, um auch in der Insolvenz noch eine Sanierung herbeizuführen. Insolvenz bedeutet nicht das Ende. Das deutsche Insolvenzrecht bietet zahlreiche Instrumente, um eine konkrete Unternehmenskrise passgenau zu bearbeiten. Man muss sich dafür nur einen entsprechenden Fachmann dazuholen. Der Unternehmer hat ein Unternehmen zu führen und kann nicht nebenbei noch Insolvenzrecht machen. Trotzdem muss man sich als Unternehmer der Situation stellen: Einfach abtauchen zu wollen ist eine menschliche Reaktion, bei der Sanierung eines Unternehmens aber keine dauerhafte Lösung. Anders als beim Tauchen sollte man als Unternehmer in einer Krisensituation ganz schnell wieder auftauchen.

 

Welche Lehren hast du aus dem Tauchen gezogen und was kannst du uns für den Krisenfall mitgeben?

Panik ist die größte Gefahr: Als Unternehmer gilt es, die Ruhe zu bewahren, sich seiner Stärken bewusst zu sein und sich professionelle Hilfe zu holen.

Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Podcast „punktgenau“,  den Sie hier in voller Länge hören können.

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Bild: Etienne Girardet @unsplash.com