„Keep calm and carry on!“ – Lage beurteilen und Risiken früh erkennen

Dies ist bereits das zweite Gespräch mit dem Wirtschaftsanwalt Volker Beissenhirtz.  Gemeinsam mit dem Experten für Restrukturierung und Forensik schaue ich auf 2023 zurück und werfe einen Blick in die Glaskugel für 2024. Dabei geht es unter anderem um steigende Insolvenzzahlen, Risikomanagement und die Wahlen in den USA.

 

Wie schaust du auf 2023 zurück, Volker?

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind wir schon sehr kritisch ins Jahr 2023 gegangen, und dann ist alles noch viel surrealer geworden – sei es mit dem steilen Anstieg der US-Verschuldung oder der wirtschaftlichen Schwäche Deutschlands. Zu Beginn des Jahres hatte ich – als eher skeptischer Mensch – ein Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent für Deutschland angenommen und gemeint, das wäre schon sehr niedrig. Gelandet sind wir bei minus 0,3 Prozent.

 

Die Medien haben 2023 dann auch über steigende Insolvenzzahlen berichtet. Mit welchen Themen kamen die Unternehmen in deine Kanzlei?

Zu Jahresbeginn war innerhalb weniger Tage klar, dass ich jetzt vor lauter Arbeit bis mindestens Juni kein Land mehr sehe. Die Anfragen waren dabei ganz klassisch: Wir haben hier eine Krise – müssen wir einen Insolvenzantrag stellen oder können wir noch was machen? Begründet war das oft in nicht zurückgezahlten Corona-Hilfen, fehlender Digitalisierung, fehlenden Facharbeitern und hohen Lohnforderungen.

 

In diesem Jahr steht diverse Wahlen an – sowohl in den USA als auch in Europa. Was bedeutet das für deutsche Unternehmen?

Egal, wie die Wahlen in den USA ausgehen: Die US-amerikanische Schuldenlast und die politische Instabilität während der Wahlkampfphase lösen große Unsicherheiten aus – gerade nachdem die Biden-Regierung viele deutsche Unternehmen mit Subventionen angelockt hat. Und auch die anstehenden Wahlen in Deutschland und der EU haben natürlich eine psychologische Ebene, die auch Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen hat. Unternehmer sehen solche Krisen glücklicherweise oft eher als Chance.

 

Kommen wir zum Thema Risikomanagement: Wie können sich Unternehmen so strukturieren, dass es gar nicht erst zu Risiken kommt?

Prinzipiell müssen wir erst einmal die Risikofrüherkennung und das Risikomanagement unterscheiden: Ersteres ist meistens nicht sehr beliebt, wenn alles gut läuft – 2021 hat der Gesetzgeber aber eine Pflicht zur Risikofrüherkennung in allen Unternehmen festgelegt. Jetzt gilt es, eine Unternehmensstruktur zu etablieren, die das Unternehmen holistisch – hinsichtlich der Führungsstruktur und der Führungsinstrumente – in den Griff bekommt. Das klangvolle Kürzel dafür heißt GRC: Governance Risk and Compliance. Der Vorteil an einer Krise ist, dass Personen und Organisationen in der Krise eher bereit sind, Änderungsvorschläge anzunehmen und eine solche Struktur zu etablieren.

 

Wie kann man es praktisch umsetzen, dass auch der Letzte im Unternehmen weiß, ob er in seinem Funktionsbereich ein Risiko hat oder nicht?

Das hängt ganz viel vom Mindset in der Führungsetage ab: Mache ich Management by Walkaround? Wenn ich nicht das richtige Mindset habe, können auch 10.000 teuer eingekaufte Berater mit ihren komplexen Slides nicht helfen. Ich trete in Unternehmen gerne mal einen Schritt zurück und frage „Warum sind Sie eigentlich in diese Situation gekommen? Und wollen Sie wieder in eine solche Situation kommen?“ Wenn die Antwort „Nein“ lautet, können wir gemeinsam anhand der Erfordernisse des Unternehmens das weitere Vorgehen entwickeln. Im Mittelstand sind da oft ganz andere Maßnahmen gefordert und möglich als in einem DAX-Konzern.

 

Was kannst du Unternehmern für das noch junge Jahr 2024 mitgeben, wie können wir die nächsten Jahre positiv gestalten?

Erstens: Aufgeben ist keine Option. Wenn ich dieses Mindset nicht entwickle, dann habe ich verloren. Zweitens: Sei wachsam, bleibe agil und committe dich vielleicht nicht gerade mit einem Rieseninvestment in China. Drittens: Keep calm and carry on. Es ist extrem wichtig, sich nicht von der angeheizten Stimmung mitreißen zu lassen, sondern immer wieder selber in die Ruhe zu bringen.

Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Podcast „punktgenau“, den Sie hier in voller Länge hören können.

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Bild: Monika Schäfer, DIE-SIGN-Agentur