Baseball und Insolvenz: Die Entscheidung fällt erst in der letzten Minute

André Dobiey ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Partner von Niering Stock Tömp Rechtsanwälte, eine der größeren deutschen ausschließlich auf die Bereiche Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung spezialisierten Anwaltskanzleien. Ich habe mich mit ihm über die Parellelen zwischen Baseball und Insolvenz und seine Tipps für Unternehmen in Krisenzeiten unterhalten.

Sie arbeiten in einer Kanzlei, die mehr als 750 Insolvenzen pro Jahr betreut – wie kam es dazu?

Nach dem ersten Staatsexamen habe ich das während der Wartezeit auf das Referendariat bei einem Insolvenzverwalter der alten Schule lernen dürfen – dort habe ich meine Begeisterung für das Thema entdeckt. Ich mag es, dass man hier nicht radikal Parteiinteressen vertritt, sondern versucht, faire Lösungen zu finden.

Wann genau kommen denn die Unternehmer zu Ihnen?

In der Regel kommen sie einen Tick zu spät. Als typische Unternehmer sind sie eher optimistisch, kämpfen zu lange weiter und übersehen die Gefahren so lange, bis sie in einer echten Krise stecken. Irgendein Weiter gibt es aber in der Regel immer.

Sie sind als junger Mann im Baseball aktiv gewesen und dem Sport bis heute verbunden. Wo sehen Sie Parallelen zwischen Baseball und einer Insolvenz?

Zum einen ist es ganz wichtig, mit Scheitern umzugehen. Beim Baseball sind die besten Schlagmänner erfolgreich, wenn sie etwa 35 Prozent der Bälle treffen – das heißt, dass sie in zwei Dritteln der Fälle scheitern. Außerdem ist Baseball ein Spiel ohne Zeitbegrenzung, das Ergebnis kann sich noch in den letzten Minuten komplett drehen. Bis zum Schluss zu kämpfen, ist auch im wirtschaftlichen Leben oft sehr hilfreich.

„Never get too high, never get too low“ ist eine weitere Weisheit aus der Baseball-Welt, der sich gut auf die Wirtschaft übertragen lässt: Die Saison im Baseball ist sehr lang, man sollte während der ganzen Zeit präsent bleiben und sich weder von Störfeuern runterziehen lassen noch sich zu sehr auf seinen Erfolgen ausruhen.

Wieso arbeiten Unternehmer oft zu wenig präventiv? Gibt es da bestimmte Muster oder Fehler, die Sie immer wieder erkennen?

Natürlich ist die Gefahr sehr groß, Opfer des eigenen Optimismus zu werden. Gerade in Erfolgszeiten erkennt man beispielsweise oft sehr schlecht, wenn das eigene Geschäftsmodell durch grundlegende Transformationsprozesse bedroht ist. Abgesehen davon gibt es natürlich auch Standardprobleme wie die nicht geregelte Nachfolge des sehr erfolgreichen Firmengründers, die auf der persönlichen und dann oft auch betrieblichen Ebene scheitert.

Wenn alle Chancen und Möglichkeiten ausgeschöpft sind: Wie lange dauert ein Insolvenzverfahren im Schnitt?

Bei den Privatinsolvenzen gab es bis vor Kurzem die Sechs-Jahres-Frist, die Ende 2020 auf drei Jahre verkürzt wurde. Unternehmensinsolvenzen dauern im Schnitt zwei bis fünf Jahre – aber es gibt auch Verfahren, die Jahrzehnte dauern.

Gibt es eine Erfahrung, die Ihr Leben nachhaltig verändert hat?

Man lernt, demütig zu werden – wenn man Menschen kennenlernt, die mal sehr erfolgreich waren und letztlich wirtschaftlich gescheitert sind, oder Menschen nach 40 Jahren Berufstätigkeit entlassen muss. Umgekehrt macht es aber auch einen Riesenspaß zu sehen, wie ein erfolgreich saniertes Unternehmen wächst und erfolgreich ist.

Welche drei Dinge möchten Sie Unternehmern mitgeben, die an der Grenze zu oder in einem Insolvenzverfahren stehen?

Als erstes rate ich jedem Unternehmer, die Dinge nicht zu verdrängen, sondern sich den Problemen möglichst frühzeitig zu stellen und Hilfe zu suchen. Das Zweite ist, sich nicht allzu große Selbstvorwürfe zu machen. Es hilft, sich mit seinen Fehlern zu beschäftigen und daraus zu lernen, aber man muss den Misserfolg irgendwann auch abschütteln. Und das ist dann auch meine dritte Empfehlung: Es gilt, den Optimismus nicht zu verlieren. Niemand hat eine geradlinige Biografie.

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(Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Podcast „punktgenau“ den Sie beim Podcast-Anbieter Ihres Vertrauens in voller Länge anhören können.Hier gehts zur Ausgabe bei  spotify

Bild: Bill-Stephan Xzikohlx @unsplash.com