Loslassen und neu anfangen

Die promovierte Ingenieurin und Quantenphysikerin Anna-Lena Gehrmann hat in Thailand eine spirituelle Erfahrung gemacht und danach ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Wie sie das geschafft hat und was andere Führungskräfte daraus lernen können, hat sie mir im Gespräch verraten.

 

Im ersten Teil unseres Gespräches (verlinken!) hast du erzählt, wie du in Thailand mit einer „höheren Macht“ in Kontakt gekommen bist. Was ist danach passiert?

Erstmal habe ich das Ereignis verdrängt und in Deutschland weitergemacht wie vorher – auf die Dauer ließ sich die innere Stimme aber nicht ignorieren. Im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass ich gleich alle drei Rollen in meinem Leben ändern muss: als Managerin, Ehefrau und deutsche Staatsbürgerin. Letzteres bin ich nach wie vor, aber es kam sehr schnell die Erkenntnis, dass ich raus muss aus Deutschland. Tief in meinem Inneren wusste ich, dass das mein Weg ist, obwohl die Aufgabe von Job, Mann und Wohnort natürlich massive Ängste ausgelöst hat. Die endgültige Entscheidung zur Veränderung ist deshalb auch erst ein Jahr später gefallen, als ich am absoluten Tiefpunkt war und es mir gesundheitlich immer schlechter ging.

 

Hast du in dieser Zeit irgendjemanden an der Seite gehabt, der dir bei diesem Prozess geholfen hat?

Ich hatte gute Coaches, Yogalehrer und eine wunderbare Heilpraktikerin, die mich auf dem Weg der Heilung begleitet habe. Und natürlich meine Familie und wunderbare Freunde, die für mich da waren und mich einfach so genommen haben, wie ich bin – auch wenn sie nicht immer alles im Detail nachvollziehen konnten. Sogar mein Arbeitgeber hat mir viel Verständnis entgegengebracht, als ich die Gründe für meine Kündigung erläutert habe. Ich kann nur empfehlen sich ehrlich und verletzlich zu zeigen – das berührt andere Menschen, sodass sie Mitgefühl und Verständnis zeigen können.

 

Wie hast du den Veränderungsprozess dann konkret gestartet?

Ich habe in diesen Jahren gelernt, nicht mehr auf das zu hören, was andere sagen oder was „common sense“ ist, sondern meine innere Stimme ernstzunehmen. Bis heute benötige ich viel Zeit für mich allein, um immer wieder in mich hineinzuspüren und auf meine Intuition zu hören. Und wenn sich etwas immer wieder leicht und richtig anfühlt – wie beispielsweise die Entscheidung, nach Portugal auszuwandern – dann mache ich das auch. Im Nachhinein hat sich das dann auch immer als der richtige Weg herausgestellt.

 

Was war die bedeutendste Entscheidung, die du für den Schritt nach Lissabon treffen musstest?

Ich musste meine Angestelltenkarriere loslassen und – wesentlich schwerer – mich von meinem Mann trennen. Festzustellen, dass eine tiefe Liebe manchmal nicht ausreicht, um ein Zusammenleben fortzusetzen, ist für mich das Schwierigste, was ich bisher erlebt habe. Weiter im Herzen verbunden zu sein, obwohl diese Ehe nicht mehr existiert, war und ist ein intensiver Reifungsprozess für uns beide.

 

Welche Fragen sollten Menschen sich stellen, die ebenfalls einen solchen tiefgreifenden Veränderungsprozess anstoßen wollen?

Letztlich geht es darum, mehr mit sich selber in Kontakt zu kommen – nicht nur über den Kopf, sondern vor allem über den Körper und die Gefühle. Das geht beispielsweise über Bewegung und bewusstes Atmen. Das muss nicht gleich ein Yoga-Retreat in Asien sein, man kann auch zuhause mit wenig Zeit schon sehr viel verändern. Wer wirklich große Veränderungen erreichen will, sollte sich außerdem unbedingt mit seinen Schatten beschäftigen. Man darf nicht auf das Wunder im Außen hoffen, sondern muss sich mit seinen Glaubenssätzen, dysfunktionalen Verhaltensweisen etc. auseinandersetzen.

 

Vor deinem Transformationsprozess ging es in deinem Leben immer um die Verbindung von zwei Feldern – ist das immer noch so?

Das zieht sich immer noch wie ein roter Faden durch mein Leben – ein Beispiel dafür ist die Verbindung von Wissenschaft und Spiritualität. Ich bin ja von Hause aus Quantenphysikerin, und die Quantenphysik ist die Grundlage, um gewisse seelische Phänomene erklären zu können. Das hilft mir in meiner täglichen Arbeit: Es reicht nicht, wenn meine Klienten bestimmte Erfahrungen machen, sie wollen auch eine Erklärung dafür.

 

Woran liegt es deiner Meinung nach, dass wir es manchmal nicht schaffen, unsere Visionen real werden zu lassen?

Da kommen viel die Schatten und inneren Dämonen, das Verlassen der Komfortzone ins Spiel. Viele Menschen scheitern an dem Punkt, an dem sie merken „Ich will etwas verändern, aber das wird ja unangenehm.“ Manchen fehlen dann der Mut und die Kraft, den Sprung auch zu machen. Und da komme dann ich mit meiner Coaching-Arbeit als Unterstützerin ins Spiel. Außerdem darf sich in der Gesellschaft noch sehr viel verändern, damit Menschen bessere Rahmenbedingungen für Veränderungsprozesse vorfinden und Unterstützung bekommen. Es muss nicht immer so gruselig und schwierig sein, dass jemand loslassen und allein in den Abgrund springen muss.

 

Was würdest du denn heute einem Unternehmenslenker empfehlen, damit seine Reise noch 20, 30 Jahre funktioniert?

Das Management der eigenen Energie ist total zentral für Führungskräfte. Wer über einen langen Zeitraum konstant Leistung bringen, viele Informationen verarbeiten und dabei immer wieder schwierige Entscheidungen treffen muss, sollte das eigene Energiemanagement zur Priorität machen und sich immer wieder kleine Oasen zum Auftanken schaffen.

 

(Dieser Text ist ein Auszug aus zwei Folgen meines Podcasts „punktgenau“, die Sie hier und hier  in voller Länge hören können.)