Sinnvolle Ideen in Handlung umsetzen – Vom einem NGO zu den Kaffemachern

Benjamin Hohlmann ist Gründer der Kaffeemacher GmbH in Basel, die eine Kaffeefarm, eine Rösterei, zwei Gastronomien und eine Akademie betreibt. Im Gespräch erläutert er, wie er vom angehenden Juristen zum Sozialunternehmer wurde und wie wir alle unseren Kaffee-Konsum klimafreundlicher gestalten können.

 

Ursprünglich wolltest du Jurist werden. Wie bist du zum Kaffeemacher geworden, Benjamin?

Fast niemand hat Kaffee studiert, oft führen verschlungene Wege dorthin. So war es auch bei mir. Ich habe meinen Zivildienst in einem Kinderheim in Bolivien gemacht – und mich schon da gefragt, wie wir eigentlich das regeln, was zwischen Menschen stattfindet. Also habe ich mich entschieden, Rechtwissenschaften in Mainz zu studieren – das aber schnell wieder aufgegeben, um Freunde bei der Gründung einer NGO zu unterstützen. Ich wollte Verantwortung übernehmen und bin da direkt mit in die Geschäftsführung gegangen.

 

Was hat dich daran gereizt?

Natürlich hat mich der Sinn der NGO fasziniert – gleichzeitig habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, eine sinnvolle Idee auch in Handlung umzusetzen. Deshalb war ich viel mit Fundraising beschäftigt – wobei mein als Jurist erworbenes sprachliches Handwerkszeug sehr hilfreich war. Sinnvolle Tätigkeit möglich zu machen, war mir sowohl in Bolivien als auch in der NGO ein wichtiger Antrieb.

 

Welche Impulse für dein heutiges Unternehmertum hast du aus Bolivien mitgebracht?

Das erste, was ich gelernt habe, ist: Wenn man etwas nur ein bisschen kann, ist das schon etwas, was man weitergeben kann. Dann wächst es nicht nur bei den anderen, sondern auch bei einem selbst. Außerdem habe ich gelernt, mir und meinen Fähigkeiten zu vertrauen. Und ich habe mitgenommen, dass wir mit unserem Berufsweg, unseren Möglichkeiten Verantwortung haben – für Transformation, für aktuelle Herausforderungen. Heute sehe ich unternehmerisches Tun als Angehen von Herausforderungen, die sich in unserer Zeit stellen.

 

Und wie ist es dann von der NGO zur Gründung der Kaffeemacher:innen gekommen?

Das Thema Sozialunternehmertum hat mich sehr beschäftigt ­– und als der Gründer und Geschäftsführer des größten Schweizer Kaffeehauses gefragt hat, ob ich da mit einsteigen will, war ich sofort dabei. Denn dieses Kaffeehaus versteht sich als Social Business, als Sozialunternehmen. Ich habe das als eine Chance gesehen zu lernen, wie man aus sich heraus eine sinnvolle Tätigkeit finanziert. Aus diesem Unternehmen heraus sind das als Projekt die Kaffeemacher entstanden.

 

Was ist da jetzt euer Credo?

Kaffee vom Anbau bis in die Tasse – und zwar nicht nur verstehen, sondern das alles auch selber machen. Wir haben eine Kaffeefarm in Nicaragua und eine Rösterei, betreiben zwei Gastronomien und eine Kaffeeschule.

 

Kaffee braucht sehr viel Wasser – in Zeiten des Klimawandels ein ernstes Thema. Wo setzt ihr mit den Kaffeemachern in Sachen Klima an?

Mindestens so wichtig wie der Wasserverbrauch ist der CO2-Fußabdruck. Der konventionelle Kaffee-Anbau hat da ein Riesenproblem. Wir müssen mehr und mehr zu einem biologischen Anbau kommen – und natürlich das gebrauchte Wasser filtern, um es wieder und wieder zu nutzen. Außerdem sind CO2-Zertifikate ein interessanter Weg, um den Kaffee-Anbau klimaneutral oder sogar klimapositiv zu gestalten.

 

Was kann ich als leidenschaftlicher Espresso-Trinker selber tun?

Der größte Teil des Kaffees wird kleinbäuerlich und in struktureller Armut produziert – deshalb ist die Frage: Wie kommt am meisten Geld bei den Produzierenden an? Es gibt keine absolute Sicherheit, aber ein Fair-Trade-Siegel auf dem Kaffee ist ein guter Indikator. Außerdem würde ich immer darauf achten, ob der Kaffee rückverfolgbar ist – einige Röstereien geben sehr genau an, wo ihr Kaffee herkommt. Außerdem gibt es die Website transparency.coffee: Das ist ein Verzeichnis von Röstereien weltweit, sich verpflichtet haben, transparent zu arbeiten.

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Do one thing every day that scares you

Constanze Wolff ist Texterin, PR-Beraterin, Social-Media-Expertin, Buch-Autorin und Trainerin. Im Gespräch erzählt sie, wie Unternehmenskommunikation sich in den letzten Jahren verändert hat, warum KMU sich so schwer mit Social Media tun und wie sie persönlich an den großen Krisen in ihrem Leben gewachsen ist.

 

Was hat sich in den letzten Jahren in unserer Kommunikation, insbesondere in der Unternehmenskommunikation, verändert?

Als ich vor über 20 Jahren angefangen habe, ging es noch viel um Hochglanz-Kommunikation: Man hat viel Geld in teure Imagefilme, Hochglanz-Prospekte, ganzseitige Anzeigen, aufwendige Mailings gesteckt. Social Media hat die Unternehmenskommunikation dann fundamental verändert: Sie ist wesentlich dialogischer und authentischer geworden. Alle können zu Sendenden werden, es wird sehr schnell durchschaubar, wenn lediglich Worthülsen verkauft werden. Und wir alle haben mittlerweile einen Ad-Blocker im Gehirn: Sobald wir das Gefühl haben, dass uns jemand etwas verkaufen möchte, schalten wir ab. Wir reagieren nicht mehr auf klassische Marketingbotschaften, sondern wollen authentische Einblicke in Unternehmen. Die Mitarbeitenden werden Botschafter*innen des Unternehmens.

 

Mit welchen typischen Fehlern von KMU siehst du dich immer wieder konfrontiert?

Ein typisches Phänomen ist das „Wir machen etwas, nur weil alle anderen es auch machen.“ Ein Auftritt bei TikTok ist aber nur dann sinnvoll, wenn auch die eigene Zielgruppe dort aktiv ist. Und da zeigt sich dann oft, dass hinter vielen kommunikativen Maßnahmen überhaupt kein Konzept steckt: Man reagiert auf flüchtige Impulse oder Trends, macht sich aber keine Gedanken darüber, warum man das überhaupt tut. Wer sind unsere Zielgruppen, was sind unsere Ziele, welche Botschaften wollen wir transportieren? Und erst ganz am Schluss kommt dann die Frage: Was ist eigentlich der richtige Kanal, was sind die richtigen Maßnahmen?

 

Social Media funktioniert anders als die klassische Unternehmenskommunikation – wie kommt es, dass so viele Unternehmen sich noch so schwer mit dem Thema tun?

Viele Unternehmen gehen noch mit der Old-Work-Haltung an Social Media heran: Es gibt stark hierarchische Strukturen und ein mangelndes Vertrauen in die Mitarbeitenden. Das wiederum führt zu einer großen Langsamkeit, weil jeder Tweet von der Geschäftsführung abgesegnet werden muss. Ein anderes großes Thema ist die mangelnde Authentizität: In Zeiten von Social Media sprechen alle auch ÜBER ein Unternehmen – und dann fällt es sehr schnell auf, wenn hinter den ganzen schönen bunten Bildern letzten Endes doch nur eine Bruchbude steckt. Und was ich sehr kritisch sehe, ist die Fixierung auf den zweiten Bestandteil des Wortes „Social Media“: Bei Social Media geht es um den Aufbau von Beziehungen, um Vertrauen, um tragfähige Kontakte – und nicht um: Ich stürze durch deine Tür rein und knalle dir mein Angebot auf den Tisch. Und last but not least: Social Media ist nur EIN Instrument im kompletten Orchester der Unternehmenskommunikation: Es kann die anderen kommunikativen Maßnahmen nicht ersetzen, sondern nur flankieren.

 

Kommen wir noch einmal auf deinen persönlichen Werdegang zurück: Hast du Grenzerfahrungen gemacht, von denen andere Selbstständige lernen können?

Da fallen mir vor allem drei Themen ein. Erstens die Finanzkrise 2008, die meine Branche und mich ordentlich gebeutelt hat. Da war ich knapp zehn Jahre selbstständig und habe noch einmal gemerkt, dass ich ein extrem lösungsorientierter Mensch bin: Ich falle einen Moment lang in eine Schockstarre, aber dann krempele ich die Ärmel hoch und suche nach einem alternativen Weg. In der Finanzkrise war das schlichtweg die Entscheidung für eine Teilzeit-Festanstellung – ohne gleichzeitig von meinen Stundensätzen in der Selbstständigkeit abzuweichen. Denn sonst wäre ich nach der Krise nur sehr schwer wieder von diesen niedrigen Sätzen weggekommen.

 

Und die zweite große Herausforderung?

Das war natürlich Corona: Damals sind mir innerhalb weniger Tage zehntausende Euro an Einnahmen für meine Trainings weggebrochen. Nach einer zweiwöchigen Schockstarre habe ich alle meine Trainings didaktisch neu aufbereitet, bin aktiv auf Akademien zugegangen und habe diese neuen Webinare einer Zielgruppe angeboten, die plötzlich kein Angebot mehr hatte. Das Ergebnis waren die finanziell besten Jahre meiner Selbstständigkeit. Und das dritte Thema ist eine sehr persönliche Krise: Nach zehn Jahren Selbstständigkeit musste ich erfahren, dass meine Leistungsfähigkeit Grenzen hat und bin mit Vollgas in einen Burnout gerauscht. Und auch da habe ich sehr schnell reagiert und mir professionelle Unterstützung von außen gesucht.

 

Eines deiner Hobbys ist das Sammeln von Zitaten. Mit welchem Zitat möchtest du heute unser Gespräch beenden?

Das ist tatsächlich die schwerste Frage von allen, weil ich seit vielen Jahren einen Twitter-Account betreibe, über den ich jeden Tag ein Zitat teile. Deshalb lege ich mich auf zwei fest, die aber sehr gut meine Haltung zum Leben auf den Punkt bringen. Das eine ist der Satz „Der Geist ist wie ein Fallschirm: Er funktioniert nur, wenn er offen ist.“ Und das andere ist ein Zitat von Eleanor Roosevelt, das hier an meinem Schreibtisch hängt: „Do one thing every day that scares you.”

Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Podcast „punktgenau“,  den Sie hier in voller Länge hören können.

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Bild: Russel Ferrer @unsplash.com

 

„Ich kann nicht die Probleme der Zukunft mit den Methoden der Vergangenheit lösen.“

Dr. Volkhard Emmrich ist seit 33 Jahren für die Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner tätig, mittlerweile als Managing Partner. Doch trotz aller Kontinuität legt er besonderen Wert auf das Hinterfragen alter Muster und begreift sich als Transformationsexperte – ich habe mich mit ihm über Rekonfiguration, Digitalisierung und die Zukunftsfähigkeit mittelständischer Unternehmen unterhalten.

Unternehmen bewegen sich üblicherweise in verschiedenen Phasen: Gründen, Wachsen, Restrukturieren. Sie bevorzugen jedoch den Begriff „Rekonfiguration“ – warum eigentlich?

Rekonfiguration ist für mich der positivere Ausdruck, bei der Restrukturierung schwingt immer mit „Du hast etwas verkehrt gemacht“. Eigentlich bin ich heute soweit, dass ich die Vorsilbe „Re“ gar nicht mehr so gerne höre, sondern nach Transformationszielen frage: Wie muss ich die Dinge, die im Unternehmen vorliegen, anders konfigurieren, damit ich den Herausforderungen der Zukunft besser gerecht werde?

Sie stehen für Problemlösung, Gestaltung und Transformation – und das eher in einer Lotsenfunktion. Was genau verstehen Sie darunter?

Die Lotsenfunktion ist ein gutes Bild: Als Sparringspartner helfe ich dem Kapitän dabei, eine Krise zu meistern, oder zeige ihm eine Alternative zu dem Weg auf, den er gehen möchte. Ich beanspruche aber nie das Schiff oder die Brücke.

Aus Ihrer Sicht als Unternehmensberater: Wie kann ein Kapitän die Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens sichern und welche Gedanken sollte er sich heute machen?

Es ist wichtig, die Dinge, die man gewohnheitsmäßig tut, infrage zu stellen und auch mit Alternativen leben zu können. Man sollte damit aufhören, dass eigene Tun prinzipiell als gut zu bewerten und alle Alternativen für schlecht zu halten. Und man sollte nicht vom Produkt oder der Leistung, sondern vom Kundennutzen her denken. Keiner braucht Entfettungsmittel für Blech – gebraucht werden entfettete Blechoberflächen.

Glauben Sie, dass künstlerische Veranlagungen beim Verlassen alter Muster helfen?

Das kann durchaus sein, wenn das Künstlerische beinhaltet, dass ich anders denken kann und nicht auf das immer gleiche Tun festgelegt bin. Ich kann nicht die Probleme der Zukunft mit den Methoden der Vergangenheit lösen. Es braucht eine Ausgewogenheit zwischen der Pflege des Bestandsgeschäfts und dem Aufbau von neuen Dingen. Und die Kunst ist es, dem Mitarbeiter, der die Cashcow pflegt, genau die gleiche Wertschätzung zu geben wie dem jungen Wilden, der etwas Innovatives entwickelt.

Stichwort Digitalisierung: Wie sieht es bei einem Beratungsunternehmen damit aus – und wie in der mittelständischen Wirtschaft?

Wir kommen aus einer total analogen Welt, in der Berichte auf Papier ausgehändigt wurden. Unternehmensberatungen haben aber als Produkt nur Information und nur Dinge, die sich digital darstellen lassen. Unsere Digitalisierung besteht daher – neben einer komplett kollaborativen Arbeitsweise – darin, die Daten des Kunden zu sammeln, zu analysieren und zu bewerten. Meine Vision ist es, Daten aus den verschiedensten Prozessen zu ziehen und der Geschäftsführung Hypothesen aufzuzeigen, die wir aus den Anomalien in diesen Daten generieren.

Der entscheidende Faktor im Mittelstand ist der Stellenwert, den Daten und Prozesse im Unternehmen haben. Wenn die Prozesse – oder auch ein ERP-System – als lästiges Übel empfunden werden, dann besteht Digitalisierung erst einmal in einer Umstellung des Mindsets hin zu Effizienz und Skalierbarkeit.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Bezug auf den Generationenübergang, den wir ja gerade vielerorts sehen?

In den letzten Jahren ist an vielen Stellschrauben gedreht worden, aber die Schnittstellen passen oft nicht. Für die junge Generation sehe ich eine große Chance darin, einen End-to-End-Blick entlang der Prozesse zu ermöglichen, über alle Verrechnungspreise hinweg.

Sie sind seit 33 Jahren bei Wieselhuber und mittlerweile 65 Jahre alt. Wie sehen Ihre Führungsprinzipien aus?

Das Wichtigste ist die Integration der Mitarbeiter in eine Lösung – und jedem einen klaren Stellenwert zu geben, unabhängig von Alter oder Erfahrung. Jeder ist eingebunden und weiß immer, worum es geht. Es gibt keine Stille Post.

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(Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Podcast „punktgenau“ aus dem Dezember 2021, den Sie hier in voller Länge hören können.)

Bild: Johnson Martin @pixabay.com

 

Turbowandel im Controlling – ein Praktiker erzählt

Michael Braun ist seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen Positionen im Controlling unterwegs. Ich habe mich mit ihm über die Entwicklung des Controllings von der Buchhalter-Funktion zum Mitgestalter der digitalen Transformation unterhalten.

 

Wie hat sich das Themenfeld Controlling während Ihrer Laufbahn entwickelt?

Vor zwei Jahrzehnten ging es im Controlling mehr um Kostenrechnung, Planung, Steuerung und Kontrolle, es gab kaum IT-Unterstützung und war viel Arbeit mit Excel. Heute ist Controlling viel diversifizierter, gleichzeitig steigt der Druck von gleich zwei Seiten: Zum einen gibt es eine große Unsicherheit bezüglich der VUKA-Welt, zum anderen besteht ein hoher Druck, mehr als Zahlen, Daten und Fakten zu liefern.

 

In der Corona-Pandemie ist der Begriff des Kostenmanagements allgegenwärtig – welche Aspekte sind hier aus Ihrer Sicht besonders wichtig?

Kostenmanagement ist ein durchgängiger Prozess, der nicht nur in der Krise eine wichtige Rolle spielt. Aktives Kostenmanagement in der Krise schaut auf die Overhead-Kosten, die eine direkte Wirkung auf den Cashout haben – das sind beispielsweise Schulungen, Reisen, Beratungen und Werbekosten. Im zweiten Schritt sollte man natürlich an die Infrastrukturmaßnahmen gehen – da denke ich an Mieten, Festnetztelefonie, Internet und Facility Management. Hier lassen sich die ins Homeoffice getätigten Invests in Kosteneinsparungen ummünzen. Auf der anderen Seite sollte man allerdings auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und beispielsweise irgendwelche Vertriebsaktivitäten strangulieren.

 

Wie kann man in solchen Situationen überhaupt noch eine zuverlässige Planung aufbauen?

Bestimmt Teilplanungen sind weiterhin sehr wichtig – ich denke da zum Beispiel an Liquidität oder die Finanzplanung für eine Fremdfinanzierung. Wenn Dynamik und Komplexität eines Unternehmensumfeldes eher niedrig sind, werden wir noch sehr lange eine traditionelle Planung sehen. Bei einem sehr dynamischen Umfeld und hoher Komplexität sind eher rollierende Forecasts das Mittel der Wahl, vielleicht sogar das Beyond Budgeting – das alles aber unbedingt mit der notwendigen IT-Unterstützung.

 

Welche Chancen sehen wir für das Controlling unter Einbeziehung der Digitalisierung?

Ich sehe eine hohe Notwendigkeit der Automatisierung – gerade bei der Abwicklung von Standardprozessen. In Zukunft wird es aber nicht mehr nur um Effizienzsteigerung gehen, sondern vor allem auch um Effektivität. Wie skaliere ich meine Produkte und Dienstleistungen zum Kunden hin?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Thema „Daten“ – Datenqualität, Verfügbarkeit von Daten usw. – hier sind Controller bisher kaum zuhause. In Zukunft sollten wir uns sehr intensiv mit Daten und deren Monetarisierung auseinandersetzen. Auch das Thema „Artificial Intelligence“ – hier besonders das Machine Learning – wird zunehmend wichtig: Hier gibt es beispielsweise sogenannte „Data-Science-Machine-Learning-Plattformen“, mit denen datenaffine Controller arbeiten können.

 

Worin besteht die Herausforderung für das Controlling, wenn das Geschäftsmodell sich durch die Digitalisierung so stark transformiert?

Es geht nicht nur um Daten und Technologie, sondern um Strategie, Prozesse und Personen. Wie Menschen miteinander arbeiten, die Kultur eines Unternehmens ist ein großes Thema. Spätestens jetzt muss der Controller als Berater auf C-Level dazukommen und sich beispielsweise mit Themen wie Zielen und Key Results beschäftigen. Mit unseren Prozessen müssen wir als Controller Transparenz reinbringen und eine Rationalitätssicherung betreiben, was Entscheidungen für interne Kunden angeht. Und natürlich muss Controlling als Teil der digitalen Transformation schauen, dass es selber digitaler wird und sich an die VUKA-Welt anpasst.

 

Welchen abschließenden Impuls möchten Sie Controllern und Unternehmern mit auf den Weg geben?

Wir müssen mehr im Sinne des Kunden denken und handeln. Wir müssen agiles Arbeiten verstehen, mitgestalten und selber leben. Und last but not least: Vereinfacht Dinge oder lasst sie weg, fordert aber auch Zeit und Ressourcen ein, um die digitale Transformation auf die Schiene zu bringen. (Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Podcast „punktgenau“ aus dem Februar 2022, den Sie hier in voller Länge hören können.)

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Bild: Geralt @pixabay.com

 

 

„Wir müssen akzeptieren, dass wir auf Veränderung mit Angst reagieren.“

Peter E. Rasenberger ist Experte für die Restrukturierung und Transformation von Unternehmen. Nach zwei Jahren Pandemie habe ich mich mit ihm über den Umgang der Wirtschaft mit disruptiven Veränderungen und die Bedeutung von Leadership für den Wandel unterhalten.

Wir haben herausfordernde Jahre hinter uns – an welchem Punkt befinden wir uns gerade in Gesellschaft und Wirtschaft?

Ich glaube, dass verschiedene Teile der Bevölkerung an unterschiedlichen Stellen stehen. Auf der einen Seite haben wir faktische Veränderungen, weil die Pandemie zu Disruptionen geführt hat. Große Teile davon – beispielsweise der Boom des Internet-Handels – werden bleiben. Auf der anderen Seite ist klar zu erkennen, dass das besondere Wesen dieser Transformation noch nicht von allen erkannt wurde – dass es eben kein „Zurück zum Vorher“ mehr geben wird.

Und an welcher Stelle stehen Unternehmen in diesem Transformationsprozess?

Der Staat hat angesichts der Pandemie deutlich stärker als bisher in die Wirtschaft eingegriffen. Einzelne Unternehmen sind mit dieser finanziellen Unterstützung sehr gut durchgekommen, andere haben gelitten. Generell glaube ich, dass viele Unternehmen nur geringe Fortschritte gemacht haben, mit Disruptionen umzugehen. Dafür sind Technologien, die für die Arbeit im Homeoffice benötigt werden und schon seit den 90er-Jahren existiert haben, jetzt voll eingeführt. Die sich daraus ergebenden neuen Möglichkeiten werden nicht mehr verschwinden. Es ist aber definitiv noch zu früh, um das abschließend zu beurteilen.

Oft ist Angst ein großer Entwicklungsverhinderer. Wie kann man der Angst vor Verantwortungsübernahme begegnen?

Wir müssen immer mit Angst umgehen, weil der Homo Sapiens ein Fluchttier ist. Wir müssen akzeptieren, dass wir auf Veränderung mit Angst reagieren. Und in diesem Zusammenhang wäre es wesentlich und wichtig, wenn Führungskräfte das sagen würden. Angst kann man damit bekämpfen, dass man sie kommuniziert. Eine Führungskraft ist nicht nur eine Rolle, sondern in erster Linie ein Mensch. Wenn dieser Mensch begreift, dass er Teil des Systems ist, das mit Angst umgeht, ist der erste Schritt schon getan. Darauf ist unsere ehemals sehr maskuline Gesellschaft nicht besonders gut vorbereitet: Es gilt immer noch als ein Zeichen von Stärke, keine Angst zu zeigen und auch nicht darüber zu sprechen.

Darüber hinaus haben wir ein Fehlverständnis davon, was in unserer Gesellschaft belohnt und bestraft wird: Nicht-Handeln wird im Normalfall nicht bestraft – führt aber dazu, dass ich irgendwann nicht mehr handeln kann. Führung muss sich mit unangenehmen Themen auseinandersetzen und die Fähigkeit haben, sich auch bei Unsicherheit auf einen Weg festzulegen und den entsprechenden Widerstand auszuhalten. Außerdem muss sie – und erst dann wird es rund – die Fähigkeit haben, sich in der Öffentlichkeit zu irren und sich neu auszurichten. Führung hängt mit Entscheidungen zusammen. Und in einer disruptiven Krise muss immer wieder schnell entschieden werden – zum Teil mit unvollständigen Informationen und unvollständiger Aussprache. Das führt dazu, dass ein erhöhter Teil dieser Entscheidungen falsch ist. Damit muss ich umgehen und das den Mitarbeitern offen kommunizieren. Das ist kein Aktionismus, sondern überlebensnotwendige Führung in einer Zeit des Wandels.

Welchen Wandel gilt es momentan außer der Pandemie noch zu bewältigen?

Ich erinnere mich noch gut an Diskussionen mit Führungskräften aus der Automobilindustrie, die noch vor wenigen Jahren das Treiben von Elon Musk für Unsinn hielten. Mittlerweile will fast jeder deutsche Automobilhersteller mit Elektro-Autos in den Markt gehen und behauptet, dass das schon immer die Strategie war. Der Wandel in der Automobilindustrie ist da. Der Ausstieg aus der Kohleindustrie wurde vorgezogen, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. Die Digitalisierung schreitet mit großen Schritten voran.

All diese Veränderungen anzugehen, benötigt viel Mut. Haben wir mutigere Menschen am Start oder setzen wir nach wie vor überwiegend auf Kompetenz?

Nur wenn Mutige ihre Angst überwinden, kann Neues entstehen. Vieles, was uns heute selbstverständlich erscheint, ist in einer Wiederaufbausituation nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Große Teile der deutschen Bevölkerung kannten es bisher nicht, dass sie noch einmal existenziell darüber nachdenken müssen, wie es jetzt weitergeht. Die aktuelle Situation ist ein wichtiges Training, aus dem viele von uns sehr viel stärker wieder herausgehen werden. Das fühlt sich nicht immer gut an, und ohne Mut wird es nicht gehen – aber je häufiger dieser Mut belohnt wird, desto eher fassen wir neuen Mut für weitere Schritte.

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(Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Podcast „punktgenau“ aus dem Januar 2022, den Sie hier in voller Länge hören können.)

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