Die Finanzierung der Zukunft

Stefan Brunnhuber ist Psychiater, Ökonom, Mitglied des Club of Rome und Senator der Europäischen Akademie der Wissenschaften. Er hat ein Konzept für eine digitale Parallelwährung entwickelt, die gezielt die Nachhaltigkeitsziele der United Nations finanzieren soll. Ich habe mich mit ihm über eine Welt im Wandel und die Finanzierung des aktuellen Transformationsprozesses unterhalten.

 

Sie sind ärztlicher Direktor einer Klinik für Integrative Psychiatrie, gleichzeitig stecken Sie tief in der Finanzwelt. Wie schlagen Sie die Brücke zwischen Medizin und Wirtschaftswissenschaft?

Wenn Sie Medizin studieren, bekommen Sie Einblick in das, was krank ist, und das, was gesund ist. Sie bekommen ein Verständnis für das Physiologische und das Pathologische. Während meiner Gastprofessuren im Ausland habe ich mich schwerpunktmäßig mit den Themen Nachhaltigkeit und Finanzen beschäftigt. Und heute bin ich der Überzeugung, dass im Gesundheits- und Finanzsektor die beiden größten Hebel für das liegen, was man heute die große Transformation nennt – weil beides jeden einzelnen von uns tagtäglich emotional betrifft.

 

Warum halten wir oftmals so lange an der alten Welt fest und wagen nicht den Sprung in die neue Welt?

Transformation ist für mich ein Handwerkszeug, das uns eine andere soziale Praxis verspricht. Es geht nicht nur darum, die Dinge anders zu sehen, sondern auch darum, sie anders zu machen. Dass uns diese Transformation nicht gelingt, hat meines Erachtens mit der Art und Weise zu tun, wie unsere Finanzmärkte aufgebaut sind, und damit, welche Geschichten wir uns über uns und die Welt erzählen. Eine der größten Erzählungen, an die wir glauben, ist die von Geld und Finanzen. Die hat uns dahin geführt, wo wir jetzt stehen, und ist möglicherweise das größte Tabu-Thema im aktuellen Transformationsprozess.

 

Wie sehen Sie denn die Finanzierungsformen in Bezug auf Klimawandel, Welternährung und alles andere, was gerade vor uns steht?

Bisher haben wir eine Wertschöpfungskette, die wir besteuern. Am Ende dieser Wertschöpfungskette werden Güter und Dienstleistungen dann übersteuert und über Abgaben Nachhaltigkeitsziele finanziert. Und diejenigen, die noch Geld übrig haben, spenden. Diese Größenordnung der Umverteilung ist viel zu gering und viel zu langsam. Es wären global vier bis fünf Billionen an zusätzlicher Liquidität nötig, um die UN-Nachhaltigkeitsziele faktisch umzusetzen. Deshalb brauchen wir andere, zusätzliche Instrumente, vor allem geldpolitische Instrumente. Im Umfeld der Pandemie haben wir erstmals gesehen, dass das faktisch auch geht: Die Zentralbanken haben Liquidität zur Verfügung gestellt, um eine akute Krise zu finanzieren. Das ließe sich auch für die Realisierung von Nachhaltigkeitszielen denken. Bei der Schaffung zusätzlicher Liquidität können wir nicht auf die weltweiten Kapitalmärkte zurückgreifen, sondern brauchen öffentliche Institutionen wie Genossenschaftsbanken, öffentliche Entwicklungsbanken, aber auch Zentralbanken.

Ein konkretes Beispiel: Wenn Deutschland einen Windpark aufstellen will, entstehen dabei Kapitalkosten von vielleicht 1,5 bis zwei Prozent. Wenn Sie den gleichen Windpark in Ghana oder Indonesien aufstellen wollen, müssen Sie grob mit Kapitalkosten rechnen, die beim Fünf- bis Siebenfachen liegen. Diese Differenz kann kein Entwicklungsland aus sich heraus stemmen, das kann nur die Weltgemeinschaft schaffen. Und wenn Sie das übertragen auf die Pandemie und die Prävention zukünftiger Krisen wäre es relativ einfach, die Weltbank, den IWF, die afrikanische Entwicklungsbank mit zusätzlicher Liquidität auszustatten, die diese Differenz abpuffert. So könnten Staaten wie Ghana und Indonesien unter gleichen Bedingungen einen Windpark aufstellen wie wir in Deutschland und so eine Transformation in eine nachhaltige Zukunft ermöglichen.

 

Im Vorfeld haben wir über das Buch „Das Ministerium für die Zukunft“ von Kim Stanley Robinson gesprochen. Sie haben dort erstaunliche Parallelen zu Ihrer Arbeit entdeckt.

Meine Frau hat mich darauf hingewiesen, dass in diesem Science-Fiction-Roman genau das beschrieben wird, was ich in meinem Buch „Financing our Future“ wissenschaftlich dargestellt habe. Für mich war das ein einmaliges Erlebnis: Plötzlich konvergieren Science Fiction und scientific evidence.

In Robinsons Buch fordert eine Zentralbankerin aus der Schweiz die Zentralbanken auf der ganzen Welt auf: „Stellt uns konditionierte Liquidität zur Verfügung, damit wir all das – von der Pandemie bis zum Arten- und Klimaschutz – finanzieren können. Wir haben das Wissen, die Technologie und die Menschen, die es machen können, aber uns fehlt die Liquidität.“ Darauf bekommt sie die Antwort: „Wir haben kein Mandat.“ In meinem Buch zeige ich auf, dass es nur zwei oder drei Paragrafen benötigt, die den Spielraum der Zentralbanken so erweitern, dass sie in dieser Notsituation solche Liquiditätsprogramme aufsetzen könnten. Und wenn man die dann intelligent mit Blockchain-Technologie verbindet, entsteht die Finanzierung der Zukunft.

Dies ist ein Auszug aus meinen Podcast mit Stefan Brunnhuber den sie hier in voller Länge hören können.

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Bild: Jezael Melgoza @unsplash.com