Eine Parkbank im Gespräch – erstmals veröffentlicht 2017

Es ist ein lauer Sommerabend 2036. Zwischenzeitlich hat es in Europa die Industrie 4.0 geschafft fast Geschichte zu sein. Sogar eine einzige Parkbank, die im Garten eines berühmten Schlosses in Deutschland steht, hat den Sprung aus der Steinzeit in die Neuzeit gewagt und ist digitalisiert. Heute trifft sie auf Martin, ein zufälliger Gast. Der Ort bleibt unerwähnt, der soll der Fantasie gehören. Wir lauschen den beiden zu:

Parkbank: Herzlich willkommen! Was treibt Dich in den Garten? Martin: Hä? Du sprichst? Parkbank: Wieso nicht? Klar doch! Ich bin eine der wenigen Parkbänke, die von Menschen 2020 digitalisiert wurden. Dabei hatte ich damals schon 75 Jahre auf dem Buckel und habe so viele Geschichten mit Menschen geteilt, ohne dass die es gemerkt haben (hihi). Martin: Ach, Parkbank (seufzt)….. Parkbank (unterbricht): Was ist mit Dir los? Traurig? Martin (barsch): Es läuft nicht rund! Irgendwie fehlt mir etwas, aber ich kann es nicht beschreiben, was fehlt. Ich bin leer und erfüllt zugleich…Parkbank: Vielleicht kann ich Dir helfen es wieder zu finden? Martin: Echt? Du? Aus Stein und Holz gezimmertes Etwas? Und was meinst Du damit? Parkbank: Erzähle mir und habe Vertrauen… Martin: Ok. – Denkpause – Irgendwann waren alle Dinge in einer virtuellen Welt verschwunden, sogar meine Verwandten hat es erwischt…Und heute gehöre ICH auch zur Geschichte von Industrie 4.0.

Parkbank: Wie? Du humanes Wesen bist auch in Industrie 4.0 gelandet und nun Geschichte? Wie kam es dazu? Martin: Nun, am Anfang erschien es mir eine tolle Sache zu sein, dass mit Hilfe der Digitalisierung das Leben so einfach wurde. Aus meinem Sessel zu Hause habe ich mein Leben, meinen Job, meine Familie und meine Freunde gesteuert. Alles easy. Selbst der Einkauf von Butter und Brot habe ich per One-Click geschafft….Parkbank: Was? Du hast alles aus Deinem Sessel gemacht ohne Bewegung? WOW! Und wenn ich Dich so anschaue, hast Du nicht allzu sehr zugenommen…DEIN LEBEN wurde also PERFEKT! Und: Du hattest ZEIT… – Doch: Wieso fühlst Du Dich leer? Martin: Ehrlich: Ich konnte mit meiner Zeit irgendwann nix mehr anfangen und habe dann mir eine Virtual Reality Brille gekauft. Parkbank: Ahhhhh, und deshalb sitzt Du heute hier? Martin: Nein. Ja. Nein. Ich suche etwas, weiß nur nicht was. Ich wurde mehr und mehr in meiner eigenen Welt gefangen, die Datenautobahnen hatten mich unter Kontrolle, ich war gefangen im Netz. Kannst Du Dir das vorstellen? Irgendwie ist heute Realität und Virtualität verschwommen… Parkbank: ICH kenne nur Spinnennetze unterhalb meiner Lehne, Ameisenstraßen ohne Ampeln und viele freie Vögel, die bei mir rasten. Martin: Was erzählst Du mir da? Parkbank: Nun. Sinn stiftet die Digitalisierung und Industrie 4.0 doch nur in den Bereichen, wo es wirklich Sinn macht, oder? Martin: Ja, ist was dran.

Parkbank (ergänzend): Ich finde, dass immer mehr Menschen das Miteinander verlieren, wie ferngesteuert durch die Straßen rennen, Leute anrempeln und mit ihrem besten Freund oder Freundin nur noch in aller Kürze „chatten“, wie das so schön heißt! Und- wenn ich so den Menschen hier auf meiner Parkbank zuhören, dann stelle ich eines fest: Keiner nimmt sich mehr Zeit zum Verweilen. Selbst wenn Sie auf meiner Bank sitzen sind sie im Netz unterwegs. Überleg mal: Einen Brief zu verfassen hat früher eine Stunde gedauert, eine Mail dauert heute 5 Minuten, also kannst Du doch theoretisch 12 Freunde in einer Stunde anschreiben und mit Ihnen in Kontakt bleiben? Martin: Stimmt! Parkbank: Tolle Sache an sich. Aber Du könntest auch mit Deinem besten Freund 55 Minuten telefonieren! Aber was machen wir? Wir suchen nach Konsum, wir konsumieren Lebensmittel genauso wie soziale Kontakte. Verstehst Du was ich meine? Martin: Jaaaaa….

Parkbank: Weißt Du, Ihr Menschen seid ein komisches Volk. Erst rennt ihr wie blind einer Sache hinterher, richtet irgendwie einen Schaden an und dann kommt ihr Gedankenverloren in den Park,  setzt euch auf eine „olle“ Parkbank, schwelgt in den Erinnerungen, wälzt schlaue Bücher, steht auf, vergisst das soeben Gedachte, und macht einfach weiter, als ob euch das alles nichts angeht. Manche Dinge sind ein Teil einer Welt, die immer real bleiben muss, aber das müsst Ihr Menschen vermutlich noch lernen. Nehmt Euch doch mal wieder Zeit und verweilt, gerne auch bei einem Espresso! Martin: Weißt Du –  gut, dass Du hier noch übermorgen stehen wirst. Und gut, dass wir den Park von der Digitalisierung verschonen werden. Ein Rückzugsort in der Stadt, ein Ort der Ruhe und des Abschaltens. Wo hast Du das denn noch? (hektisch) Du, es ist Zeit fürs Abendessen, ich treffe Freunde. Und ich nehme mir statt Konsum eine Auszeit und telefoniere mal wieder! Vielen Dank für Deinen Rat. Parkbank: Gerne! Auf Wiedersehen und bis bald!

Titelbild: Albrecht E. Arnold / pixelio.de

 

 

 

 

 

 

 

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