Risiken so lange zu ignorieren, bis sie sich zur echten Krise ausgewachsen haben, ist in Deutschland sehr verbreitet – nicht zufällig hat die „German Angst“ es in den internationalen Sprachgebrauch geschafft. Doch „wo ein Risiko ist, muss auch eine Chance sein“ – davon ist Harald Nikutta überzeugt. Der Jurist und Volkswirt ist Partner und Geschäftsführer bei der weltweit tätigen Risikomanagementberatung Control Risks – ich habe mich mit ihm über seine Erkenntnisse zum erfolgreichen Management von Risiken unterhalten.
Harald Nikutta
Was genau macht eine Risikomanagementberatung, Harald?
Wir helfen Unternehmen dabei, dass sie regelkonform, sicher und damit widerstandsfähig sind. Dazu monitoren wir Herausforderungen, leiten daraus die unternehmensspezifischen Risiken ab und helfen Unternehmen, mit diesen Risiken wirksam umzugehen. Wir stehen Unternehmen in herausfordernden Momenten zur Seite und befähigen Sie dazu, Ihre Organisationen so umzubauen, dass sie erfolgreich bestehen können.
Zum besseren Verständnis: Was genau ist der Unterschied zwischen Krisen- und Risikomanagement?
Risikomanagement ist in Deutschland durch verschiedenste Gesetze definiert und meint den Umgang mit allen Gefährdungen eines Unternehmens. Krisenmanagement befasst sich dagegen nur mit den bestandsgefährdenden Situationen – also mit all dem, was ein Unternehmen von der Landkarte verschwinden lässt.
Wie kann man bei der Informationsflut, mit der man als Unternehmer konfrontiert ist, denn noch den Überblick über Risiken behalten?
Im ersten Schritt gilt es, alle Informationen wie ein Staubsauger aufzunehmen und sichdann aber auf das zu fokussieren, waswirklich relevant ist. Wer zu früh fokussiert, übersieht das Wesentliche – wer aber die ganze Zeit im Weitwinkel bleibt, kommt nicht nah genug an die Themen ran.
Welche Fähigkeiten braucht es im Unternehmen, um der Geschäftsführung geeignete Unterlagen zur Unterscheidung zwischen Risiko und Krise zu präsentieren?
Dazu braucht es Menschen, die Annahmen hinterfragen und auch mal um die Ecke denken. Die wiederum benötigen verlässliche, relevante und zeitnah verfügbare Informationsquellen – und die Fähigkeit, die verschiedenen Informationen miteinander zu verknüpfen. Denn die eigentlichen Bedrohungen sind meist die verknüpften Risiken, die sich gegeneinander bis zur exponentiellen Auswirkung verstärken. Und natürlich müssendie Inhalte so aufbereitet werden, dass sie auf den jeweiligen Entscheider zugeschnitten sind – Stichwort der adressatengerechten Kommunikation.
Wenn du ein Bild für ein erfolgreiches Risikomanagement malen müsstest: Wie sähe es aus?
Ein bisschen ist es wie bei der Fahrt von Christopher Kolumbus: Am Anfang hat man ein weißes Blatt Papier, auf dem man Stück für Stück seine Seekarte malt. Und die wird klarer, je näher man den Themen kommt. Wichtig ist dabei die Fähigkeit, diese Karte schnell anzupassen auf die reale Welt übertragen: ein möglichst gutes Risikofrüherkennungssystem. Dafür müssen alle imUnternehmen die Augen aufhalten und relevante Beobachtungen weitergeben. Leider haben wir in Unternehmen jedoch eine unzureichende Bereitschaft, sich tatsächlich mit Risiken auseinanderzusetzen. Das zeigt sich gerade in diesen Tagen sehr deutlich: Jeder hofft im stillen Kämmerlein, dass es nach Corona wieder wird, wie es vorher war.
Du hast fünf Thesen zum Thema Risikomanagement formuliert – welche sind das?
Erstens: Risikomanagement braucht Risiko-Leadership. Zweitens: Es braucht eine Wirksamkeit des Risikomanagements, die sich durch das gesamte Unternehmen zieht – von der Früherkennung bis zum Umgang mit der konkreten Krise. Drittens: Risikomanagement braucht eine angemessene Ressourcen-Ausstattung. Viertens: Es braucht eine standardisierte Einschätzung zu dem, was getan wurde. Fünftens: Wo ein Risiko ist, muss auch eine Chance sein. Die Kunst ist es, diese zu erkennen.
Diesem Erkennen steht sicherlich auch die typisch deutsche Null-Fehler-Kultur im Weg. Wie stehst du dazu?
In gewissen Bereichen ist diese Kultur die Basis dafür, dass „Made in Germany“ für ein Top-Niveau steht. Echte Innovationen jedoch sind ohne Trial and Error nicht denkbar, dafür braucht es Fehlertoleranz. Als Entscheider muss ich meinem Team vermitteln, in welchen Bereichen möglichst keine Fehler passieren sollten und wo diese sogar explizit erwünscht sind – wenn sie mit einem Lerneffekt verbunden sind.
Abschließend: Was ist die zentrale Botschaft, die du allen Verantwortlichen in Bezug auf das Risikomanagement mit auf den Weg geben möchtest?
Es braucht Reflexion, Klarheit und Lernbereitschaft. Dazu muss sich jeder immer wieder aus dem eigenen, höchstpersönlichen Hamsterrad befreien und den Blick von Außen auf sich und das eigene Tun wagen.
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Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Podcast „punktgenau“ vom 7. April 2021, den Sie hier in voller Länge hören können. Der Podcast ist auch auf itunes und spotify verfügbar.